Gastbeitrag
eFuels als Game Changer in der Klimapolitik – made in Styria
Die Klimakrise ist derzeit in aller Munde und wird in Österreich heiß diskutiert. Mit innovativen Verfahren wollen steirische Unternehmen zur Erreichung der Klimaziele beisteuern.
Zuletzt aktualisiert am 30.11.2021, 11:32
Österreich hat sich sehr ambitionierte Klimaziele gesetzt. So soll der Gesamtstromverbrauch soll ab dem Jahr 2030 zu 100% national bilanziell aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden. Das bedeutet zusätzliche 27 TWh Stromproduktion aus sehr volatilem erneuerbaren Strom: Wind und Photovoltaik. Gleichzeitig wird es zu einer stärkeren Nachfrage nach Strom durch Industrie/Gewebe, Wärmepumpen, Elektro-KFZ oder Klimaanlagen kommen. Dazu ist der Ausbau der Netzinfrastruktur absolut notwendig, und der Überschussstrom muss gespeichert werden – ansonsten drohen Blackouts! Kurzfristig können das unsere Pumpspeicherkraftwerke bewerkstelligen, deren Kapazitäten begrenzt sind. Das langfristige Speichern muss in Form von Wasserstoff, Power-to-gas, Power-to-liquid oder in Batterien erfolgen. Die nötige Infrastruktur für die Abnahme des Stroms ist bis auf den Gas- und Kraftstoffbereich wenig vorhanden.
Die Technologie des Power-to-Liquid Verfahrens mit dem Produkt „eFuels“ genannt, ist einfach erklärt: „Wir verwandeln Wasser in Diesel“ – und das mit Ingenieurskunst „made in Styria“.
Technologie made in Styria
Wasser wird mittels erneuerbaren Stroms in einem Elektrolyseverfahren in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Danach wird der Wasserstoff mit Kohlendioxid gemischt und durch das Fischer-Tropsch-Verfahren chemisch verflüssigt. Dadurch entstehen synthetische Brenn- und Kraftstoffe, sogenannte eFuels. Diese haben die gleichen Eigenschaften wie zum Beispiel Diesel haben. Sie können aber auch zu Kerosin weiterverarbeitet werden, und das CO2-neutral, also klimaneutral. Der Vorteil liegt darin, dass das Produkt 1 zu 1 in der bestehenden KFZ-Flotte eingesetzt werden kann.
Dazu gibt es ein Forschungsprojekt der AVL List GmbH, die gemeinsam mit dem IWO-Institut für Wärme und Öltechnik eine der größten Power-to-Liquid-Demoanlagen weltweit plant. Diese Anlage verfügt über eine elektrische Anschlussleistung von 1 MW erneuerbarem Strom und wird zweistufig ausgeführt. In der ersten Stufe wird Wasserstoff auf Basis des innovativen SOEC-Prozesses mit über 80 % Wirkungsgrad erzeugt. Parallel dazu wird CO2 aus einem Industrieabgas bzw. aus einer Biogas-/Biomasse- Anlage abgeschieden. In der zweiten Stufe werden Wasserstoff und CO2 einer Fischer-Tropsch-Syntheseanlage zugeführt, in der synthetischer Kraftstoff in drei unterschiedlichen Fraktionen erzeugt wird. In Summe wird die 1-MW-Anlage ungefähr 500.000 Liter Dieseläquivalent pro Jahr produzieren. Aufgrund des hocheffizienten SOEC-Prozesses und weiterer Optimierungen wird dafür um 20 bis 30 % weniger erneuerbarer Energieinput benötigt.
Jürgen Rechberger, Vice President Hydrogen & Fuel Cell bei AVL List: „eFuels werden die Lösung in der Luftfahrt- und im Marinebereich sein. Und sie werden eine von mehreren Optionen im Automotive-Sektor sein. Konkret werden synthetische Kraftstoffe im Bereich der Bestandsflotten eine wichtige Rolle spielen können.” Das ist ein Riesenvorteil von eFuels: Man kann in die bestehende Flotte eingreifen und diese CO2-frei machen. Daher sind eFuels die entscheidende Lösung, um die Klimaziele 2040 zu erreichen. Denn wir sehen es bei AVL nicht als realistisch, die gesamte bestehende Flotte an Fahrzeugen in Österreich bis 2040 austauschen zu können“, so Rechberger.
Durch den bisher unerreichten Wirkungsgrad der Hochleistungselektrolyse-Anlage werden synthetische Brenn- und Kraftstoffe „100 % Made in Austria“ kostengünstig, praxistauglich und effizient speicherbar gemacht. Dadurch entwickelt sich Österreich nicht nur global zum „Green Innovation Leader“, sondern verschafft sich gleichzeitig auch mehr Unabhängigkeit vom Import fossiler Rohstoffe.
Die Vorteile von eFuels
“Wir haben 7,5 Millionen Kraftfahrzeuge in Österreich, die mit Verbrennungsmotor betrieben werden. Die durchschnittliche Behaltedauer beträgt mehr als acht Jahre. Wenn wir in Österreich noch schneller sein wollen als die EU und die Mobilität schon bis 2040 umbauen wollen, dann wird sich das ohne eFuels nicht ausgehen.”
Durch ihre „Drop-in“-Fähigkeit können eFuels herkömmlichen Kraft- und Brennstoffen außerdem in jedem beliebigen Verhältnis beigemischt werden. Die bestehenden Logistik-, Verteil- und Tankinfrastrukturen, wie Tanklager, Tankwagen, Pipelines und Tankstellen, können weitergenutzt werden.
Mit eFuels lassen sich zwei Probleme der Energiewende lösen: die Speicherbarkeit und Transportierbarkeit von erneuerbaren Energien. Aufgrund ihrer hohen Energiedichte und der Transportierbarkeit bei Raumdruck sowie -temperatur kann man erneuerbare Energien weltweit einfach und wirtschaftlich erzeugen und mit bereits vorhandenen technischen Mitteln an jeden Ort der Welt transportieren, an dem diese gebraucht werden.
eFuels haben aber noch weitere entscheidende Vorteile. Sie sind speicher- und transportfähig und sie haben die gleichen Eigenschaften wie fossile Kraftstoffe, wodurch die Umrüstung unproblematisch ist. Auch deshalb ist die Roth eFuel Alliance sowie eine Reihe weiterer österreichischer Forschungseinrichtungen beim Projekt von AVL List federführend. “Mit dieser größten Demoanlage weltweit leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz: Denn wenn andere Länder unsere Technologie nutzen, haben wir einen viel größeren Hebel und bewirken viel mehr, als wir das allein könnten.“
Unser erklärtes Ziel ist es, eine sozioökonomisch verträgliche, technologieoffene Umwelt- und Klimaschutzpolitik zu fördern sowie aktiv die Rahmenbedingungen für den flächendeckenden Einsatz von eFuels – im Wärmemarkt sowie im Straßen-, Luft- und Schiffsverkehr – mitzugestalten. Mit gebündeltem Spitzen-Know-how positionieren wir uns als kompetenter Ansprechpartner rund um das Thema eFuels und unterstreichen damit gleichzeitig die Vorreiterrolle Österreichs als Innovationsleader im Bereich synthetischer, CO2-neutraler Brenn- und Kraftstoffe.
eFuels als Hoffnungsträger für nachhaltige Mobilität
Wenn man Klimaschutz wirklich ernst meint und technologieoffen betrachtet, dann geht es immer stärker darum, wie man umweltschonende Energien speichert. Hier gibt es drei Möglichkeiten: Batterien, Wasserstoff und eFuels. Und ich bin überzeugt, dass wir alle drei brauchen werden. Wichtig ist es, der Bevölkerung auch für die Zukunft eine Mobilitätsgarantie zu geben. Es muss sowohl der Individualverkehr als auch die Versorgung mit Gütern weiterhin sichergestellt werden. Daher spielt die Diversität in der Technologie eine so große Rolle.
Im Verkehrssektor steckt das größte Potenzial für den Einsatz von eFuels. Diese können als eDiesel und eBenzin eingesetzt – zunächst als Beimischung zu herkömmlichen Kraftstoffen bis zu deren vollständiger Ersetzung – und in sämtlichen Verbrennungsmotoren verwendet werden.
Ein Großteil des weltweiten Fahrzeugbestandes wird auch über 2030 hinaus noch mit herkömmlichen Benzin- oder Dieselmotoren angetrieben werden. Das gilt für Pkw ebenso wie für leichte Nutzfahrzeuge und vor allem für den Straßengüterverkehr sowie für Sonderverkehrsmittel in der Land-, Forst- und Bauwirtschaft, für die es keine wirtschaftlich und technisch sinnvolle Möglichkeit der Elektrifizierung gibt. Die eFuels bieten sich hier als klimaneutrale Lösung an, da sie sich problemlos in modernen Verbrennungsmotoren und unter sehr unterschiedlichen topografischen und klimatischen Bedingungen weltweit zuverlässig einsetzen lassen.
Schon heute könnten Autos mit herkömmlichen Diesel- und Benzinmotoren dank eFuels CO2-neutral fahren. Ein weiterer Vorteil: Dank des bereits bestehenden Tankstellennetzes und mittels der bewährten Verteilerlogistik wie Raffinerien, Tanklager und Tanklastwagen, lassen sich eFuels schnell in den Markt und zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern bringen. Der Aufbau einer neuen teuren Infrastruktur ist nicht nötig. Somit können eFuels einen wertvollen Beitrag leisten, um die CO2-Emissionen im Straßenverkehr entscheidend zu senken.
eFuel Alliance
Die eFuel Alliance Österreich wurde im April gegründet und ist eine Interessensgemeinschaft, die sich für die industrielle Produktion von synthetischen flüssigen Kraft- und Brennstoffen aus erneuerbaren Energien einsetzt. Sie steht allen Organisationen und Interessierten offen, die das Ziel teilen, eFuels als Beitrag für den Klimaschutz zu etablieren, zu fördern und weltweit zur Anwendung zu verhelfen. Dazu gehören Einzelunternehmen und Verbände sowie Einzelpersonen. Diese kommen aus dem Mineralölhandel und der Mineralölindustrie, der Automobil- und Automobilzulieferindustrie, dem Maschinen- und Anlagenbau, aus der Forschung und Wissenschaft, der Luft- und Seefahrtbranche, der Chemieindustrie sowie aus dem Bereich der Energieproduktion und -gewinnung. Auch die jeweiligen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen aus diesen Bereichen zählen dazu. Rund 100 Unternehmen und Verbände haben sich bisher der eFuel Alliance angeschlossen. Als Vorsitzender tritt Jürgen Roth konkret für folgende Forderungen ein:
- Technologie- & Innovationsoffenheit in der Klimapolitik
- Ganzheitliche Entwicklung einer Wirtschaft für Wasserstoff-Folgeprodukte in Europa
- Reduktion der Energiesteuer
- Anrechenbarkeit auf CO2-Flottengrenzwerte
- Stärkung der internationalen Zusammenarbeit zum Aufbau einer globalen eFuel-Produktion
- Förderung der industriellen Produktion von eFuels aus erneuerbaren Energien
Die Politik
Ganz ähnlich bezeichnet Magnus Brunner, Staatssekretär im Klimaministerium, eFuels: “Wenn wir die Energiewende schaffen und die Klimaziele im Verkehrssektor erreichen wollen, dann müssen wir technologieoffen denken. Denn E-Mobilität wird eine wichtige Rolle im Bereich des eher urbanen Individualverkehrs spielen, auf der Langstrecke und im Schwerverkehr wird Wasserstoff eine Lösung sein, und gerade was den Bestand betrifft, werden vor allem eFuels wichtige Schlüsseltechnologien sein.“ Brunner zufolge sind schließlich nicht die Verbrennungsmotoren das Problem, sondern die CO2-Emissionen. “Ein Verbrennungsmotor kann genauso mit sauberen eFuels betrieben werden. Unser Ziel muss daher sein, Alternativen zu suchen, auf Innovation zu setzen und dann die richtigen Lösungen zu finden“, so der Staatssekretär. Gibt es außerdem ausreichend Anreize und wird die Wirtschaft mit ins Boot geholt, dann kann die Energiewende Brunner zufolge eine „Riesenchance für den Wirtschaftsstandort“ sein.
eFuels als Game Changer
eFuels werden in Zukunft ein wichtiger Bestandteil und Mosaikstein der Klimapolitik werden. Es gibt nicht nur die eine Technologie zum Erreichen der Pariser Klimaziele, sondern ein Bündel an Maßnahmen. eFuels sind ein Teil des Ganzen. Wir haben das Know-how in Österreich und in der Steiermark. Es liegt an uns und der Politik, dieses Know-how zu nutzen und es weltweit zu exportieren. Das ist gut für den Wirtschaftsstandort Österreich und für das Klima.