Was die Steiermark als innovativen Produktions- und Forschungsstandort auszeichnet
Die positiven Auswirkungen von F&E stehen außer Zweifel. Eine Verwertung dieser Innovationen im Rahmen der regionalen Produktion ist ein zentraler Standortfaktor.
Zuletzt aktualisiert am 07.03.2024, 14:02
Die positiven Auswirkungen von F&E stehen außer Zweifel. Eine Verwertung dieser Innovationen im Rahmen der regionalen Produktion ist ein zentraler Standortfaktor.
Die Steiermark ist eine hochentwickelte, industriell geprägte Region. Sie weist u.a. Spezialisierungen im Fahrzeugbau, in der Metallindustrie, dem Maschinenbau, in der Mikroelektronik und den wissensintensiven, industrienahen Dienstleistungen auf.
Mit einer F&E-Quote von 5,14 % weist die Steiermark die höchste F&E-Quote aller österreichischen Bundesländer auf und liegt damit auch im europäischen Vergleich im Spitzenfeld (siehe Abbildung 1). Die hohe F&E-Quote der Steiermark wird sowohl vom öffentlichen Sektor als auch vom Unternehmenssektor getragen. Damit verfügt die Steiermark über umfassende Stärken in der Grundlagenforschung und der angewandten unternehmerischen F&E.
Die positiven Auswirkungen von F&E und Innovationen auf die Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliches Wachstum stehen außer Zweifel. Vielmehr stellt sich für forschungsintensive Regionen wie die Steiermark die Frage, welche Rahmenbedingungen besonders gut geeignet sind, um die F&E-Investitionen in Wachstum, regionalen Wohlstand und Produktivität zu „übersetzen“. Forschung bereichert den Produktions- und Innovationsstandort, ist jedoch kein Selbstzweck. Ein gutes Zusammenspiel mit dem produzierenden Bereich ist essenziell, da innovatives Potenzial innerhalb der Region andernfalls weniger genutzt werden kann. Die drei Bereiche Forschung, Innovation und Produktion sind eng miteinander verknüpft.
Im Rahmen einer Studie zum Produktions-, Forschungs- und Innovationsstandort Steiermark wurden zentrale Einflussgrößen mit einem multimodalen Effizienzmodell berechnet, sowie die Rahmenbedingungen der Steiermark betrachtet. Die Studie ist dabei ein Update und baut auf der Methodik des Vorgängers aus 2017 auf.
Obwohl die Effekte von Investitionen in F&E unsicherer zu bestimmen sind als jene von anderen Investitionsformen (etwa Anlageinvestitionen), sind F&E-Investitionen ein zentraler Treiber für die Wettbewerbsfähigkeit. Sie ermöglichen Unternehmen, Produktionskosten zu senken und/oder qualitativ hochwertigere Waren und Dienstleistungen anzubieten. Angesichts dieser Charakteristika gibt es eine lange Tradition von Forschungsarbeiten über den Zusammenhang von F&E-Investitionen und Produktivität.
Die Wirkungslogik unternehmerischer F&E und technologischen Innovationen auf die unternehmerische Produktivität wurde dabei aus Ergebnissen der Literatur abgeleitet. Auf regionaler Ebene im industrialisierten Nord- und Zentraleuropa gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen F&E und dem Wirtschaftswachstum bzw. der Produktivität.
Abbildung 2 illustriert die in der Literatur als wesentlich identifizierten Zusammenhänge und Einflussfaktoren. So haben unternehmerische F&E-Aktivitäten einen positiven Einfluss auf die Innovationsneigung und die erfolgreiche Entwicklung von technologischen Innovationen in Unternehmen. Technologische Innovationen (und dabei insbesondere Produktinnovationen) wiederum wirken sich positiv auf die unternehmerische Produktivität aus. Dabei gibt es zahlreiche moderierende Faktoren, die im Allgemeinen oder unter gewissen Umständen positiv auf diese Zusammenhänge wirken. So haben die absorptive Kapazität in Unternehmen, funktionierende Maßnahmen zum Schutz des geistigen Eigentums und Innovationskooperationen einen positiven Effekt auf die Effizienz der eingesetzten unternehmerischen F&E-Investitionen.
Die Wirkung von technologischen Innovationen (vornehmlich Produktinnovationen) auf die Unternehmensproduktivität erhöht sich, wenn gleichzeitig entsprechende Maßnahmen im Bereich Marketing und Design umgesetzt werden und wenn Investitionen in die Weiterbildung bzw. in IKT getätigt werden. Insgesamt steigt die Effizienz der eingesetzten F&E-Mittel für die unternehmerische Aktivität beispielsweise, wenn eine geeignete Infrastruktur sowie Humankapitalbasis vorhanden ist, und wenn es gelingt, dass F&E- und innovationsrelevante Aktivitäten anderer Institutionen zu Spillovers führen.
Neben Forschung und Entwicklung haben auch andere intangible Investitionen einen entscheidenden Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. So müssen neben technologischen Innovationen, welche einen direkten Zusammenhang zwischen unternehmerischer F&E und Produktivität darstellen, auch nicht-technologische Innovationen wie Management und organisatorische Praktiken, Marketing, Wissensmanagement und das Bildungs-/Ausbildungsniveau der Beschäftigten und damit die absorptive Kapazität betrachtet werden.
Auf Basis dieses Wirkungsmodells wurde die Effizienz Forschung erfolgreich in die Produktion zu übernehmen für wichtige industrielle Regionen Europas geschätzt. Die Analyse erfolgt mit einem zweistufigen Verfahren. Zuerst wird mittels einer Data Envelopment Analysis (DEA; Charnes et al. 1978) die relative Effizienz der Vergleichsregionen bestimmt. Die DEA ist ein flexibler, nicht-parametrischer Ansatz zur empirischen Schätzung von (technisch-effizienten) Produktionsmöglichkeitskurven (Production Possibility Frontier, PPF). Für die DEA muss a priori keine Produktionsfunktion definiert werden und mit ihr können viele Inputs (und auch Outputs) problemlos in den Produktionsprozess integriert werden.
Für eine forschungs- und technologiebasierte Regionalwirtschaft wie die Steiermark spielen neben Arbeit und Kapital auch die regionalen Forschungsaktivitäten eine zentrale Rolle als Input. Das berechnete DEA-Modell trägt dem Rechnung, indem neben dem Faktor Kapital (Anteil der Bruttoanlageinvestitionen an der Wertschöpfung im produzierenden Bereich) und dem Faktor Arbeit (Anteil des Arbeitnehmerentgeltes an der Bruttowertschöpfung im produzierenden Bereich) auch die F&E-Ausgaben des Unternehmenssektors (gemessen am Bruttoregionalprodukt) als Inputfaktoren herangezogen werden. Die Arbeitsproduktivität, gemessen als Bruttowertschöpfung pro Arbeitsstunde, stellt den Outputfaktor dar.
Die Analyse zeigt, dass die Steiermark zur Gruppe der Regionen mit einer hohen Effizienz (zweithöchste Kategorie) zählt. Diese umfasst außerdem Sydsverige, Stuttgart, Niederbayern, Arnsberg, Oberösterreich, Vorarlberg und Helsinki-Uusimaa. Unter den Vergleichsregionen nimmt die Steiermark den 19. Rang (von 33) ein und befindet sich somit im Mittelfeld.
In der Steiermark gelingt es demnach vergleichsweise gut, die verfügbaren Ressourcen in Form einer hohen Produktivität zu nutzen. Die Steiermark gehört allerdings nicht zu den hochentwickelten, industriell geprägten NUTS-2-Regionen mit sehr hohem Effizienzniveau. In diesen Regionen sind große, innovationsstarke Unternehmen stark vertreten. Diese Gruppe umfasst unter anderem die Regionen Braunschweig (VW, MAN, Salzgitter), Oberbayern (BMW, Siemens, Audi, Linde, MAN), Mittelfranken, Darmstadt (Merck, Software AG, Opel), Rheinhessen-Pfalz (Boehringer Ingelheim, BASF, Opel), Karlsruhe, Düsseldorf (Uniper, Rheinmetall, Henkel, DEA Group), Midtjylland, Köln, Oberpfalz, Schwaben und Tübingen.
Die Effizienz der Nutzung von Ressourcen hängt neben den unternehmerischen Aktivitäten aber auch von entsprechenden Rahmenbedingungen ab. Diese Rahmenbedingungen können vielfach nicht direkt von den Unternehmen beeinflusst werden, haben ihrerseits jedoch erheblichen Einfluss auf die regionale Effizienz und damit Produktivität. Auch diese Faktoren wurden im Rahmen der Analyse betrachtet.
Die F&E-Quote des Unternehmenssektors, der Anteil der Unternehmen mit Innovationskooperationen und die öffentlichen F&E-Ausgaben liegen deutlich über dem Durchschnitt der Vergleichsregionen. Über dem Durchschnitt liegt die Steiermark auch bei der Teilnahmequote der Erwerbsbevölkerung an Maßnahmen des Lebenslangen Lernens. Hier scheint sich das Modell der berufsbegleitenden Qualifizierung, das in Österreich existiert, positiv niederzuschlagen.
Deutlich unter dem Durchschnitt der Vergleichsregionen liegt die Steiermark allerdings bei der Humankapitalausstattung: Sowohl der Anteil der Erwerbstätigen mit wissenschaftlich-technischer Berufstätigkeit als auch der Anteil der Beschäftigten im Bereich Hochtechnologie liegt in der Steiermark deutlich unter dem Durchschnitt der Vergleichsregionen. Dies deutet darauf hin, dass es in der Steiermark Aufholbedarf bei Beschäftigten mit naturwissenschaftlich-technischen Kernqualifikationen gibt. Dieser besteht trotz der hohen Dichte an relevanten Bildungseinrichtungen (TU Graz, Montanuniversität Leoben, Fachhochschulen, HTLs etc.) und der im nationalen Vergleich hohen Ingenieursdichte.
Deutlich unter dem Durchschnitt der Vergleichsregionen liegt die Steiermark auch in Bezug auf die Infrastrukturausstattung. Sowohl die multimodale Erreichbarkeit als auch der Breitbandzugang sind unterdurchschnittlich stark ausgeprägt – gerade beim Breitband konnte die Steiermark allerdings im Vergleich zur Vorgängerstudie etwas aufschließen und auch rezente Entwicklungen sind als positiv zu bewerten. Dies ist auch durch die geografische Lage sowie die Topografie erklärbar, liegt doch der Großteil der Vergleichsregionen in dicht besiedelten Gebieten ohne nennenswerte Gebirge. Trotzdem stellt dies einen Nachteil in den Rahmenbedingungen für innovative Unternehmen in der Steiermark dar.
Abbildung 3: Position der Steiermark und Durchschnittswerte der Vergleichsregionen
Quelle: EUROSTAT, RCI 2019, Niederl et al. (2017), eigene Darstellung und Berechnung JR-POLICIES; Daten skaliert zwischen 0 (Minimum der Vergleichsregionen) und 1 (Maximum der Vergleichsregionen); Neuklassifizierung von Pflegekräften wurde zur Vergleichbarkeit aus der aktuellen Zeitreihe für den Punkt Wissenschaftler:innen und Ingenieur:innen herausgerechnet
Die Ergebnisse verdeutlichen die Probleme des Fachkräftemangels und streicht die Herausforderungen von HR und Personalabteilungen der Unternehmen hervor – welche sich im Zuge des demografischen Wandels noch verschärfen dürften.
Bei der Infrastruktur ergibt sich ein differenziertes Bild. Zwar ist die Steiermark topografisch benachteiligt doch gibt es Fortschritte im Ausbau. Bei der Erschließung von Breitbandinfrastruktur sind Fortschritte erkennbar und auch die Öffnung der Koralmbahn wird Verbesserungen nach sich ziehen.
Aus der Literatur, der Analyse und den geführten Diskussionen lassen sich Schlussfolgerungen für den Produktions-, Forschungs- und Innovationsstandort ableiten. So ist die Ausgangslage gut, F&E und Innovation sind in der Steiermark Kernthemen der heimischen Wirtschaft. Hier gilt es F&E- und Innovationsanstrengungen im produzierenden Bereich konsequent weiter zu forcieren, den Anteil der F&E-aktiven, kontinuierlich innovierenden und exportierenden Unternehmen zu erhöhen und die öffentliche Forschung weiter an den Bedürfnissen der regionalen Industrie auszurichten (Fortschritte wurden hier schon in der Vergangenheit erzielt). Dazu soll sich die Steiermark auch aktiv in Rahmenprogramme wie IPCEI einbringen, um im Sinne der Technologieführerschaft mitreden zu können und als treibende Kraft zu agieren.
Die kommenden Jahre bringen jedoch eine Reihe von Herausforderungen mit sich. Die hohe Relevanz der energieintensiven Industrie in der Steiermark geht mit zahlreichen Risiken einher. Hohe Energiekosten reduzieren die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Steiermark hier deutlich stärker betroffen ist als die meisten Peerregionen. Eine Verlagerung von zumindest Teilen der Produktion ist ein realistisches Szenario. Industrielle Forschung und Produktion sind eng miteinander verknüpft, mit dem Wegfall von Produktionskapazitäten droht auch eine Reduktion von F&E-Anstrengungen. Zudem können positive Effekte der in der Region betriebenen F&E nicht bei heimischen Betrieben in der Produktion genutzt und verwertet werden, wodurch sich auch die Wachstumsperspektive der Region reduziert.
Neben Unterschieden in den Energiepreisen befindet sich die EU zunehmend in einem Förderwettbewerb mit den USA und Asien. Die grüne Transformation, der Chips Act sowie der Inflation Reduction Act können zu Reibebäumen des internationalen Wettbewerbs werden. Österreich sollte gezielt am Umbau partizipieren und ein nationales Budget für relevante Projekte bereitstellen, um eine starke österreichische Beteiligung sicherstellen zu können (IPCEI Mikroelektronik und Chips Act, IPCEI Wasserstoff).
Auch der Arbeitsmarkt stellt die Unternehmen vor entscheidende Herausforderungen. Eine Steigerung der Partizipationsraten von älteren Erwerbstätigen und Frauen sowie eine Nutzung des Faktors Zuwanderung werden immer essenzieller, weiche Standortfaktoren werden zunehmend wichtiger. Eine Steigerung des Anteils der Personen mit wissenschaftlich-technischer Berufstätigkeit bleibt eine zentrale Herausforderung. Hier müssen erneut immer noch bestehende Pfadabhängigkeiten und die klassische Berufswahl von Mädchen und jungen Frauen angesprochen werden, wobei für eine erhöhte Partizipation flächendeckende Kinderbetreuung (gerade in den Regionen fehlen hier Angebote) eine grundlegende Rolle spielt.
Gerade in peripheren Regionen müssen gute Rahmenbedingungen für Frauen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschaffen werden, denn die steigende Erwerbsbeteiligung bei Frauen ist schon seit langem treibende Kraft für ein stärkeres Beschäftigungswachstum.
Eine infrastrukturelle Verbesserung (Koralmtunnel und Semmering-Basistunnel) steigert das Erwerbspotenzial der Region jedoch in naher Zukunft tendenziell.