Hintergrund

Klimaziele: Stehen die Kosten im Verhältnis zum erreichten Nutzen?

Die Klima-Debatte ist mit dem Aufkommen der Pandemie in den Hintergrund gerückt. Die Herausforderungen sind dennoch virulent.

Zuletzt aktualisiert am 30.12.2021, 15:22

Weltkugel im Sonnenuntergang auf einem Holzbrett liegend. Copyright: Tryfonov - stock.adobe.com

In einer aktuellen Debatte um die europäischen und steirischen Klimaziele haben sich die Staats- und Regierungschefs bei einem EU-Ratstreffen darauf geeinigt, das CO2-Reduktionsziel bis 2030 auf minus 55 Prozent zu verschärfen. Ursprünglich hat der European Green Deal vorgesehen, die europäischen Emissionen bis 2030 um 40 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990 zu reduzieren. Experten stufen dieses Ziel mit Ausnahme von einigen wenigen Mitgliedsstaaten schon als durchaus ambitioniert und realistischerweise nur sehr schwer zu erreichen ein. Auch mit der neuen Einigung nimmt die Europäische Union im internationalen Vergleich eindeutig eine Vorreiterrolle ein.

Die EU emittiert jährlich etwa 3,5 Milliarden Tonnen CO2. Dies entspricht aber nur knapp zehn Prozent der weltweit vom Menschen verursachten CO2-Emissionen. China ist als Hauptverursacher für rund elf Milliarden Tonnen CO2-Ausstoß jährlich verantwortlich. Die USA belegen den zweiten Platz mit jährlichen Emissionen in Höhe von ca. fünf Milliarden Tonnen CO2. Mit anderen Worten: Wenn die EU ihr Klimaneutralitätsziel bis 2050 erreicht, der Rest der Welt aber weiter macht wie bisher (und die Emissionen weiter steigen), können nicht einmal zehn Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes eingespart werden.

Österreichische Klimaziele haben nur einen geringen Einfluss auf die Klimaerwärmung

Österreich hat sich in gewohnter „Gold-Plating-Manier“ sogar zum Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu werden. Momentan werden jährlich ungefähr 48,5 Millionen Tonnen CO2 in Österreich freigesetzt. Das entspricht einem Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß von deutlich unter 0,2 Prozent. Der überschaubare Anteil österreichischer Emissionen und die damit nur minimalen Auswirkungen auf die Erderwärmung befeuern die Debatte, inwieweit es sinnvoll ist, „unsere“ Emissionen schon jetzt auf null zu reduzieren. Befürworter dieser Argumentation heben in diesem Zusammenhang die doch deutlich spürbaren Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort hervor. Denn schon jetzt gerät die europäische Industrie zunehmend unter Druck. Die geplante Ausweitung des EU-Emissionshandelssystems auf die Sektoren Verkehr und Gebäude sowie die Reduktion von Gratis-Zertifikaten und Erhöhung des linearen Reduktionsfaktors werden dazu führen, dass sich die Kosten für den Ausstoß einer Tonne CO2 von derzeit 25€ bis 2030 auf über 75€ verdreifachen werden.

Logische Konsequenz kann nur die Abwanderung von energieintensiven Betrieben (Carbon Leakage) in Regionen (z.B. China, Indien…) sein, in denen wesentlich günstiger produziert werden kann. Was nicht zuletzt drastische ökologische Konsequenzen bedeutet. Denn schon jetzt wird eine Tonne Stahl, Papier oder Zement nirgends so klimaschonend produziert wie in Mitteleuropa. Ob es geeignete Maßnahmen gibt, um die Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig den Wirtschaftsstandort Europa abzusichern, ist fraglich. Das befeuert die Debatte, ob Strafzölle für CO2-intensive Produkte aus Drittstaaten zu kurzsichtig sind und als der Weisheit letzter Schluss dienen.

Mit 36 Prozent des Endenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energieträgern leistet Österreich bereits einen Beitrag zur Erreichung der Ziele

Eine Abkehr von der klassischen Energieressourcen muss mit dem Aufbau von ökologischen Alternativen einhergehen. Diesbezüglich stellt sich die Situation in Österreich wie folgt dar. Österreich deckt bereits etwa ¾ des heimischen Strombedarfs mit aus inländischen erneuerbaren Energiequellen ab. Dieser Wert soll bis 2030 bilanziell auf 100 Prozent ausgebaut werden. Dafür benötigt es einen massiven Ausbau im Bereich der Photovoltaikenergie und eine optimale Nutzung der noch vorhandenen Potentiale im Bereich der Wasserkraft und Windenergie. Zudem muss der Spagat zwischen der Energiewende, der Gewährleistung der Versorgungssicherheit und erschwinglichen, wettbewerbsfähigen Strompreisen gelingen. Also für sich allein gesehen schon eine Herkulesaufgabe. Hinzu kommt jedoch, dass der Anteil der elektrischen Energie am nationalen Endenergieverbrauch gerade einmal 21 Prozent ausmacht. Gemessen am Endenergieverbrauch kommt Österreich auf einen Anteil von ca. 36 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern. Knapp 60 Prozent entfallen nach wie vor auf Erdöl, Erdgas und Kohle.

Nichtsdestotrotz wird im österreichischen Regierungsprogramm das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 angepeilt. Geht man von einem konstant bleibenden Energieverbrauch aus, bedeutet das, dass innerhalb von 19 Jahren zusätzlich 64 Prozent unseres Energieverbrauchs durch erneuerbare Energieträger substituiert werden sollen.

Laut den Experten des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung muss die Aufrechterhaltung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit und unseres Wohlstandsniveaus beim Strukturwandel hin zu einer dekarbonisierten Wirtschaft oberste Priorität haben. Ob das gelingen kann und ob die enormen Kosten und Anstrengungen dafür auch in einem ausgewogenen Verhältnis zum dadurch erreichten Nutzen für den Klimaschutz stehen, sei aber dahingestellt…