Warum die Inflation noch nicht sinken will

Obwohl die Energiepreise derzeit spürbar nach unten gehen, bleibt die Teuerung hoch. Wer oder was daran schuld ist? Eine Ursachenanalyse.

Zuletzt aktualisiert am 09.05.2023, 10:36

Euro-Banknoten, die brennend vom Himmel fallen © photoschmidt/stock.adobe.com

Das Gespenst der Inflation ist in den letzten beiden Jahren zur Realität geworden. Ziemlich genau vor zwei Jahren begannen die VPI-Raten im Monatsvergleich schrittweise anzusteigen. Im Gesamtjahr 2022 kam die Inflationsrate bei 8,6 Prozent zu liegen. Auch im Jahr 2023 zeichnet sich (noch) keine Entlastung ab. Im März lag die Inflationsrate bei 9,2 Prozent, laut einer aktuellen Schnellschätzung von Statistik Austria im April bei 9,8 Prozent. Sämtliche Prognosen lagen daneben, derartige Preissteigerungen wurden von den Wirtschaftsforschungsinstituten im Frühjahr 2021 nicht vorhergesehen. Die Ursachen dieses enormen Preisanstieges liegen primär in der Corona-Pandemie sowie dem Kriegsgeschehen zwischen Russland und der Ukraine. Österreich ist trotz des steigenden Anteils an erneuerbaren Energieträgern ein Energieimportland. Knappheitsphänomene durch Lieferkettenprobleme, Produktionsausfälle bei Importgütern und die internationale Marktpreisentwicklung im Energiebereich waren die Hauptursachen dafür, dass die Preise in Österreich angestiegen sind.

Mit den aktuellen Entspannungen im Energiesektor (sinkende Gaspreise, Strompreisbremse, etc.) stellt sich nun für viele die Frage, warum die Inflationsrate nicht wieder (schneller) zurückgeht und ob die Unternehmen die hohen Preise nicht für höhere Gewinne ausnutzen? [1] Die Antwort darauf lautet für die Masse der Betriebe nein. Und zwar aus folgenden Gründen:

  • Laut WIFO gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Gewinnmargen im unternehmerischen Bereich – zumindest gesamtwirtschaftlich betrachtet – gestiegen sind. Einzelne Branchen, wie die Energiewirtschaft, sind davon ausgenommen, diese profitierten speziell von der internationalen Marktpreisentwicklung.
  • Im Bereich der lebensnotwendigen Güter sind im allgemeinen Handel und in der Nahrungsmittelindustrie ebenfalls keine enorm gesteigerten Gewinnmargen feststellbar, dagegen verzeichen Landwirtschaft und multinationale Lebensmittelkonzerne Umsatzzuwächse. Im Detail:
    • Tatsächlich sind im landwirtschaftlichen Bereich zuletzt beträchtliche Gewinnsteigerungen (und zwar real) beobachtet worden [2].
    • Gemäß New York Times [3] sind im produzierenden Bereich speziell die großen Lebensmittelkonzerne Nestlé und Unilever für die höheren Preise verantwortlich. Der Einzelhandel, der hier oft beschuldigt wird, hat hier weniger Spielraum.
    • Preisunterschiede zu Deutschland sind auch auf die Größe des Marktes zurückzuführen [4].
  • In vielen Sparten können die Preissteigerungen nicht eins zu eins weitergegeben werden, schon gar nicht im B2B – Bereich. Und wir haben sehr viele Zulieferbetriebe, die einem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind. Viele Lieferverträge sind hier an gewisse Preise für Zeitintervalle gebunden.
  • Die Marktpreise kommen im freien Wettbewerb zustande. Der individuelle Spielraum einzelner Unternehmen, übernatürliche Profite, die vom Branchenschnitt abweichen, zu generieren, ist hier gering, es gibt kaum Monopolstellungen.
  • Parallel dazu nimmt auch der Kostendruck auf Seiten der Arbeitnehmer zu. Um Reallohn- bzw. Einkommensverluste zu umgehen, wollen in einem angespannten Preisumfeld Arbeitnehmer Ihre Löhne und Unternehmer Ihre Preise anpassen. Dies ist eine logische Konsequenz und in einem fairen unternehmerischen Wettbewerb auch nicht weiter zu kritisieren, vor allem nicht in jenen Bereichen, wo die Nachfrage hoch ist. Die aktuelle Inflation ist laut EZB zur Hälfte auf gestiegene Löhne und zur anderen Hälfte auf gestiegene Preise zurückzuführen.
  • Ein Grund für die hohe Inflation in Österreich ist auch, dass Preisanpassungen im Energiesektor eher „träge“ sind und (zum Teil wegen langfristiger Verträge) mit gewissen Verzögerungen an die Kunden weitergegeben werden – sinkende Energiepreise auf den Weltmärkten wirken daher oft nicht unisono auf die Kundenpreise. Zudem sind unterschiedliche Konsumgewohnheiten im Euroraum ursächlich für verschiedene Gewichtungen der Warenkörbe. Österreicher konsumieren so gesehen mehr im Gasthaus als beispielsweise in Deutschland, was zu einer höheren Gewichtung des Sektors Gastronomie im Warenkorb in Österreich führt.

    Aufgrund der hohen Inflation wurden in jüngster Zeit sogar vermehrt Stimmen laut, die paritätische Kommission für Lohn- und Preisfragen (Gründung 1957) – ein historisches Instrument der Sozialpartnerschaft – zur Überprüfung von Preis- und Lohnanpassungen, wieder zu aktivieren. In der heute internationalen Ausrichtung der österreichischen offenen Volkswirtschaft, wo Preise zum Großteil von internationalen Rahmenbedingungen bestimmt werden, wäre ein solcher Eingriff in marktwirtschaftliche Verhältnisse exakt abzuwägen. Mehrwertsteuersenkungen hätten den Nachteil, dass diese temporär gedacht wären und bei einer Wiedererhöhung auf das ursprüngliche Niveau die Preise dann rasant steigen würden. Einzelne Branchen (Energiesektor, Landwirtschaft, Lebensmittelkonzerne mit internationaler Marktmacht) sollten dennoch strenger unter die Lupe genommen, und bei Bedarf nationale Korrekturmechanismen angewendet werden.

    Ein unangenehmer Nebeneffekt eines sinkenden Wohlstandes resultiert längerfristig, wenn die Inflation eine Ursache von Knappheit ist. Dies deshalb, weil wir dann im Inland nicht im Stande sind, genügend Güter und Dienstleistungen zu produzieren, um unsere Nachfrage zu befriedigen, also müssen wir diese zu mitunter teureren Preisen aus dem Ausland beziehen. Wenn die Nachfrage trotz Knappheit nicht zurückgeht, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass wir über unseren Verhältnissen leben. Eine höhere Staatsverschuldung ist dann längerfristig die Konsequenz.


    [1] Hohe Inflation setzt Haushalte unter Druck – steiermark.ORF.at

    [2] Gewinne der Bauern kräftig gestiegen | DiePresse.com

    [3] Are Big Profits Keeping Prices High? Some Central Bankers Are Concerned. – The New York Times (nytimes.com)

    [4] Vgl. Lebensmittel in Österreich 13 Prozent teurer als in Deutschland – Woran liegt das? | PULS 24