Infrastruktur und Erreichbarkeit – Die notwendige Korrektur der Randlage der Steiermark aus ökonomischer Sicht
Die Steiermark liegt im Herzen Europas, und doch bremsen viele Verkehrs- und Digitalverbindungen ihr volles Potenzial noch aus. Mit Großprojekten wie der Koralmbahn, dem Glasfaserausbau und gezielten Straßeninvestitionen wird unser Bundesland zum Knotenpunkt zwischen Nord und Süd. Das ist mehr als nur Infrastruktur: Es ist die Basis für wirtschaftliches Wachstum und neue Chancen.
Zuletzt aktualisiert am 13.08.2025, 14:45

Die Steiermark hat in puncto Erreichbarkeit einen natürlichen Standortnachteil gegenüber anderen Regionen Europas. International bedeutsame Ballungs- bzw. Siedlungsräume mit einem überdurchschnittlich großen ökonomischen Aktivitätsniveau (gemessen an Produktionsniveau, Beschäftigten, Einwohnerzahl, Wirtschaftskraft etc.) sind nicht in unmittelbarer Nähe unseres Bundeslandes zu finden. Größere Märkte befinden sich in relativer großer Entfernung und — wie bereits Adam Smith es treffend formulierte — die Arbeitsteilung wird durch die Größe des Marktes bestimmt. Die ökonomische Bedeutung von Verkehrsinfrastrukturen für die Steiermark hatte bereits Erzherzog Johann erkannt. Er gilt mit als Impulsgeber für die Südbahn von Wien nach Triest über den Semmering, Bruck/Mur und Graz.
Die Koralmbahn, die Ende 2025 als erster Teil der neuen Südstrecke von Wien nach Villach in Betrieb geht, befreit die Steiermark noch weiter aus Ihrer inneren Randlage, denn der adriatische Wirtschafts- und Logistikraum rückt wesentlich näher an uns heran. Im internationalen Kontext bedeutet dies – i.V. mit den Seehäfen im Süden an der Adria, dem Cargo Terminal Graz und der Fertigstellung des Semmeringbasistunnels aber auch eine verbesserte Relation Richtung Norden, womit die gesamte Nord-Süd-Achse von Polen bis zur Adria durch die Steiermark führt (Baltisch-Adriatische-Achse). Um die Erreichbarkeit bzw. die ökologisch bedeutende Verlagerung von Gütern von der Straße auf die Schiene weiter zu fördern, ist aber auch die Verbindung nach Oberösterreich bzw. Deutschland sowie im Süden nach Kroatien, Serbien und weiter nach Südosten auf der Schiene auszubauen. In Österreich ist die Pyhrn-Schober Achse mit dem alten Bosruck-Eisenbahntunnel sowie der Abschnitt zwischen Graz-Bruck/Mur und Graz-Werndorf/Spielfeld dafür noch nicht leistungsfähig genug, weshalb ein Fokus auf einen neuen Bosruck-Eisenbahntunnel sowie auf Kapazitätserweiterungen in diesen Abschnitten gelegt werden sollte. Der Modal-Split im alpenquerenden Güterverkehr entwickelt sich gerade auf der Pyhrn-Achse kaum weiter in Richtung Schiene, was zum Teil diesen „bottlenecks“ im Infrastrukturbereich geschuldet ist.
Das Netz der steirischen Autobahnen ist aktuell wesentlich besser ausgebaut als das hochrangige Schienennetz, dennoch gibt es auch hier noch viel „Luft nach oben“. Der dreispurige Ausbau der A9 südlich von Graz ist sicher der dringendste Ausbauschritt, der zeitnah umzusetzen ist, denn die Kapazitätsauslastung in diesem Abschnitt stößt deutlich an die Grenze der Belastbarkeit. Ein weiteres wichtiges Projekt ist die S36 zwischen Judenburg und St. Georgen. Dieser Abschnitt sollte bei UVP-Bewilligung bis spätestens 2034 fertiggestellt sein. Ein weiterer Lückenschluss nach Kärnten (S37, B317) wäre anzustreben, zumindest aus Gründen der Verkehrssicherheit wäre hier ein Sicherheitsausbau dringend erforderlich. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist eindeutig belegbar, dass der Ausbau von Straßeninfrastruktur mit positiven Wachstumseffekten einhergeht, nach den Ergebnissen einer kleinräumigen Analyse des WIFO (2017) arbeiten in Österreich etwa 70% der Beschäftigten in einer Arbeitsstätte, die weniger als 5 km (Luftlinie) von einer hochrangigen Straßenverbindung entfernt liegt. Das Beschäftigungswachstum der steirischen Gemeinden im Nahbereich der steirischen Autobahnen war in den letzten Jahrzehnten auch signifikant höher als in anderen Regionen fernab vom ASFINAG-Straßennetz, wie eine Analyse des Instituts für Wirtschafts- und Standortentwicklung verdeutlicht. Die Steiermark verfügt somit über ein größtenteils gut ausgebautes Netz an hochrangigen Straßen, in dessen Nähe ein großer Teil der Arbeitsplätze bzw. Arbeitsstätten des Landes liegt.
In der modernen Kommunikations- und Wissenswelt ist auch der Breitbandausbau in der Steiermark vor dem Hintergrund der anhaltenden Digitalisierungswelle weiter zu forcieren. In technologischer Hinsicht ist Glasfaser hier das Maß aller Dinge. Wie ein Blick auf den aktuellen Breitbandatlas (breitbandatlas.gv.at) zeigt, hat die Steiermark hier speziell in den östlichen Landesteilen noch einen Rückstand. Positiv hervorzuheben ist die im Jahr 2019 gegründete Steirische Breitband- und Digitalinfrastrukturgesellschaft mbH (sbidi), die insbesondere den Ausbau unterversorgter Gebiete im Fokus hat. Durch den Glasfaserausbau, der im Tiefbaubereich auch eine Wertschöpfungsintensität aufweist, sollten auch regionale, spezialisierte Baufirmen zum Zug kommen.
Als Tor in die weite Welt ist neben dem Internet aber auch der Flughafen Graz zu sehen, der mit rund einer Million Passagiere und einer neuen Flugverbindung nach London-Gatwick ab Herbst/Winter 2025 wieder deutlich im Aufwand ist. Mit Verbindungen in große europäische Luftfahrtdrehkreuze (Frankfurt, München etc.) steht den Steirerinnen und Steirern die ganze Welt von Graz aus offen. Damit die Schiene als Anbindung des Flughafens an Bedeutung gewinnt ist ein Konzept zur Anbindung der bestehenden S-Bahn-Haltestelle mit einem autonom fahrenden Shuttle-Bus anzustreben und langfristig das Thema Flughafen-Halt mit der Koralmbahn weiter zu prüfen.
Die Steiermark ist von der Größe des Marktes und von der Erreichbarkeit her anderen Regionen innerhalb Europas unterlegen, wie auch ein Ranking der Europäischen Kommission untermauert (der Index der regionalen Wettbewerbsfähigkeit, Europäische Kommission 2022). Damit dieser von Natur aus gegebene Standortnachteil korrigiert werden kann, sind die Verkehrs- und Telekommunikationsnetze weiter auszubauen; dies stärkt einerseits die Attraktivität des Standortes für nationale und internationale Betriebe, wertet unser Bundesland aber auch als Wohn- und Lebensraum bzw. als F+E, Universitäts- und Bildungsstandort deutlich auf. Die fortschreitende Internationalisierung der Steiermark ermöglicht auch kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) Spezialisierungsvorteile im internationalen Wettbewerb noch gezielter am globalen Markt zu nutzen. In Alfred Marshalls Sicht etwa begünstigt zudem eine Senkung der Transport- und Transaktionskosten die räumliche Konzentration von Industrien, wodurch externe Skalenvorteile entstehen, die wiederum Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit einer Region steigern (vgl. Marshall 1890). Infrastrukturprojekte wie die Koralmbahn verkürzen wirtschaftliche Distanzen und ermöglichen der Steiermark, solche Agglomerationsvorteile im europäischen Maßstab stärker zu nutzen.
Unserer Studie „Wirtschaftsstandort Steiermark 2025+“ können weitere Details zum Thema Infrastruktur und Erreichbarkeit (Verkehrsnetz, historische Brüche & aktuelle Projekte) entnommen werden.
Quellen:
Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (2025), Beschäftigungseffekte in den steirischen Gemeinden mit Ausnahme von Graz entlang des ASFINAG – Straßennetzes in der Steiermark von 1970 bis 2022.
Europäische Kommission (2022). Regional Competitiveness Index.
Marshall, A. (1890). Principles of Economics. 8th ed. London: Macmillan.
Smith, A. (1776). An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations. London: W. Strahan and T. Cadell.
WIFO (2017), Langfristige Beschäftigungseffekte des hochrangigen Straßennetzes in Österreich