Warum Österreichs Abgabenlast im internationalen Spitzenfeld liegt
Eine Analyse der Steuer- und Abgabenstruktur und der Verteilung der Einkommen von Unternehmern und Arbeitnehmern in Österreich.
Zuletzt aktualisiert am 05.03.2024, 14:55
Betrachtet man die Entwicklung der Abgabenquote im EU-Vergleich über die letzten 15 Jahre können zwei Beobachtungen getroffen werden: Einerseits liegt die Abgabenquote (Steuer- und Sozialbeiträge in % des BIP) konstant über dem europäischen Durchschnittsniveau (aktuell 43,9 % in Österreich und 41,6 % in der EU). Andererseits weist die Abgabenquote über die letzten 15 Jahre einen Anstieg von 41,5 % auf 43,9 % auf.
Abbildung 1: Abgabenquoten Österreich und EU im Zeitvergleich; Quelle: Statistik Austria, Eurostat
Unabhängig von der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand/des Sozialstaates ergibt sich aus der Höhe der Abgabenquote jedenfalls eine Anreizproblematik für Unternehmer wie auch für Dienstnehmer. Mit einer Abgabenquote von 43,9 % fließt in Österreich beinahe die Hälfte der Wertschöpfung zurück an den Staat. Unternehmer und Dienstnehmer bzw. Haushalte haben diese Abgabenlast gemeinsam tragen – zu welchen Anteilen sich die Abgabenlast zwischen Unternehmern und Dienstnehmern aufteilt wird in Folge diskutiert.
Im Wesentlichen wird das Abgabenaufkommen durch Abgaben, welche auf das Einkommen der Steuerpflichtigen abzielen sowie in Abgaben, welche auf den Konsum abzielen, generiert. Unter einkommensabhängige Abgaben fallen sämtliche Einkommenssteuern wie die Lohnsteuer, Körperschaftsteuer, veranlagte Einkommensteuer und Kapitalertragssteuer sowie Sozialversicherungsbeiträge und Lohnnebenkosten (Details siehe Abbildung 3).
Von den Verbrauchsteuern sind die Umsatzsteuer – sie macht rund 2/3 der Verbrauchsteuern aus – sowie weitere Steuern auf Güter- und Dienstleistungen (zB auf Mineralöl und Tabak bzw. motorbezogene Versicherungssteuer etc.) umfasst.
Abbildung 2: Abgabenaufkommen Österreich (OECD Statistics 2021)
Hinsichtlich der Verbrauchsteuern teilen sich aus ökonomischer Sicht sowohl Produzenten (Unternehmen) als auch Verbraucher die Steuerlast.[1]
Die einkommensabhängigen Abgaben können Unternehmern und Arbeitnehmern spezifisch zugeteilt werden. Abbildung 3 zeigt, welche einkommensabhängige Abgaben von Arbeitnehmern und welche Abgaben von Unternehmern getragen werden. Über 50 Prozent der einkommensabhängigen Abgaben werden von Unternehmern getragen. Hiervon umfasst sind die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung von Beschäftigten, die Sozialversicherung der Selbständigen, die Lohnnebenkosten (Dienstgeberbeitrag zum FLAF, Kommunalsteuer, etc.), Körperschaftsteuer sowie die veranlagte Einkommensteuer (Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung etc.).[2] Arbeitnehmer tragen mit den Lohnsteuerbeträgen und dem Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung rund 45 Prozent der einkommensabhängigen Abgaben.
Die Kapitalertragssteuer wird hier weder der Unternehmer- noch der Arbeitnehmersphäre zugeordnet, da sowohl Arbeitnehmer als auch Unternehmer Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielen.
Abbildung 3: Einkommensabhängige Abgaben (OECD Statistics 2021)
In einer Gesamtbetrachtung kann festgehalten werden, dass Unternehmer und Arbeitnehmer die Abgabenlast in etwa zu gleichen Teilen tragen, und das, obwohl auf einen Unternehmer im Schnitt fünf Beschäftigte fallen. Generell kann davon ausgegangen werden, dass – aus dem Marktprinzip abgeleitet – bei einer Abgabenreduktion, ob auf Unternehmer- oder Arbeitnehmerseite, jeweils sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer hinsichtlich ihres Erwerbseinkommens profitieren werden. Um Leistungsanreize zu erhöhen, wäre daher eine Reduktion der Abgabenlast, ob auf Unternehmerseite oder Arbeitnehmerseite, jedenfalls zielführend.
Dennoch kann die Frage gestellt werden, ob die Abgabenlast auf Unternehmer und Dienstnehmer gerecht verteilt ist. Das Leistungsfähigkeitsprinzip, welchem die Einkommensbesteuerung unterliegt, besagt, dass Steuerpflichtige mit höheren Einkommen mehr zur Finanzierung staatlicher Leistungen beitragen sollen. Bei einer entsprechend ungleichen Verteilung der Einkommen könnte man also zu dem Schluss kommen, dass man eine Gruppe stärker oder schwächer besteuern sollte. Abbildung 4 zeigt die Einkommensverteilung der Lohnsteuerpflichtigen und der einkommensteuerpflichtigen Unternehmer[3] im Jahr 2019. Die Einkommensverteilung zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern zeigt insgesamt ein recht ausgeglichenes Verhältnis der Einkommen. Aufgrund des unternehmerischen Risikos ist die Verteilung der Einkommen der Unternehmer an den oberen und unteren Rändern eher ausgeprägt. Knapp 20 Prozent der Unternehmer erzielen ein sehr geringes jährliches Einkommen unter 4.000 Euro. In dieser Stufe werden insbesondere jene Unternehmer dargestellt, die im Veranlagungsjahr 2019 keinen Gewinn erzielt bzw. einen Verlust erlitten haben. Im Gegensatz hierzu schaffen es nur knapp 9 Prozent der Unternehmer in die höchste hier abgebildete Einkommensstufe. In den Einkommensstufen zwischen 15.000 und 70.000 Tausend Euro sind jeweils anteilsmäßig mehr Arbeitnehmer als Unternehmer vertreten.
Aus Abbildung 4 wird insbesondere die Anreizproblematik für Unternehmer sichtbar. So ist es allgemein wahrscheinlicher ein mittleres bis gutes Einkommen über ein Angestelltenverhältnis, als dieses über eigene Unternehmerinitiative, zu erzielen. Hinzu kommt noch, dass der Unternehmer ein hohes Risiko trägt und nicht selten Verluste einstecken muss – in einem Angestelltenverhältnis sind die Risiken vergleichsweise gering und kalkulierbar. Aus Anreizüberlegungen sollte der Unternehmer zumindest einen höheren Verdienst als über ein Angestelltenverhältnis erwarten können, um für das eingegangene Risiko entschädigt zu werden.
Abbildung 4: Einkommensverteilung – Unternehmer und Arbeitnehmer (Statistik Austria 2019)
Zusammenfassung
- Die Abgabenquote in Österreich ist im internationalen Vergleich sehr hoch.
- Mehr als 50% der vom Einkommen abhängigen Abgaben werden von Unternehmen, 45% von Angestellten getragen.
- Unternehmen zahlen nicht nur auf Gewinne von Körperschaften Steuern, sondern haben eine Vielzahl an Steuern und Abgaben zu tragen. Die Körperschaftsteuer macht nur 8,2% aller einkommensabhängigen Abgaben aus. Der Großteil der Finanzierung des Sozialstaates aus dem Topf der einkommensabhängigen Abgaben kommt von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung sowie der Lohnnebenkosten.
Die Abgabenquote in Österreich hat in den letzten 15 Jahren deutlich zugenommen – zudem verzeichnet Österreich im Vergleich zum europäischen Durchschnitt eine deutlich höhere Abgabenquote. Ob die staatlichen Leistungen dieses hohe Abgabenvolumen rechtfertigen, sollte in weiterer Folge hinterfragt werden. Letztendlich ergeben sich durch die hohe Abgabenquote Leistungsanreizproblematiken sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber. Der Anstieg der Teilzeitquote und der Rückgang des durchschnittlichen Arbeitsvolumens geben einen Hinweis darauf, dass die monetären Anreize für Arbeitnehmer zu gering sind und daher die Leistungsbereitschaft fehlt. Auf Unternehmerseite zeigt sich in der Einkommensverteilung, dass auch hier die monetären Anreize im Vergleich zu Arbeitnehmereinkommen nicht besonders ausgeprägt sind und insbesondere das Unternehmerrisiko wenig Abgeltung findet.
[1] Da Angebotsmengen und Nachfragemengen am Markt vom Preis abhängen, belasten Verbrauchssteuern aus ökonomischer Sicht sowohl Produzenten als auch Konsumenten. Zu welchen Teilen Produzent und Konsument wirtschaftlich mit einer Verbrauchssteuer belastet werden ist von der Preiselastizität der Angebots- und Nachfragekurve für das jeweilige Gut bzw. Dienstleistung abhängig. Vgl. Stiglitz/Rosengard, 4 th ed., 2015, S. 547-548[1]*
[2] Steuerpflichtige, welche ihre überwiegenden Einkünfte entweder den Einkünften aus Gewerbebetrieb (Einzelunternehmer, Gesellschafter einer Personengesellschaft) oder den Einkünfte aus selbständiger Arbeit (wesentlich beteiligte Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften, Freiberufler) zuzurechnen sind.*
[3] Steuerpflichtige, welche ihre überwiegenden Einkünfte entweder den Einkünften aus Gewerbebetrieb (Einzelunternehmer, Gesellschafter einer Personengesellschaft) oder den Einkünfte aus selbständiger Arbeit (wesentlich beteiligte Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften, Freiberufler) zuzurechnen sind.*