Das ÖBB-Eisenbahnzielnetz 2040 – alles auf Schiene?

Anfang Februar 2024 wurde der Entwurf des Eisenbahnzielnetzes von Bundesministerin Leonore Gewessler und den ÖBB präsentiert. Dabei stellt sich die Frage, ob der Wirtschaftsstandort Steiermark mit den empfohlenen Maßnahmen im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Schienenverkehrs zukunftsfähig aufgestellt ist. Nachfolgender Beitrag liefert einen kompakten Überblick über die geplanten Infrastrukturverbesserungen in der Steiermark.

Zuletzt aktualisiert am 07.03.2024, 14:02

Die Phyrn-Schober Achse als Flaschenhals der Eisenbahninfrastruktur. Copyright: alexanderuhrin - stock.adobe.com

Das Zielnetz dient als Basis für den Rahmenplan, der Infrastrukturmaßnahmen im Netz der ÖBB-Infrastruktur AG enthält. Zu erwähnen ist, dass nicht alle ÖBB-Eisenbahnstrecken im Zielnetzprozess betrachtet wurden, sondern nur solche, für die wesentliche Ideen für Ausbauvorhaben bestehen. In diesem Sinne sind alle steirischen Eisenbahnstrecken auch in Zukunft Teil des Zielnetzes der ÖBB. Lediglich die Aufrechterhaltung des Personenverkehrs zwischen Fehring und Hartberg steht zur Diskussion und wird gerade evaluiert.

Insgesamt wurden österreichweit für die zukünftige Berücksichtigung im Zielnetz rund 130 Einzelprojekte eingereicht, die in 34 Modulen zusammengefasst wurden. Anhand einer Bewertungsmethodik, die Kosten-Nutzen-Elemente enthält, wurde auf Expertenebene eine Auswahl für 25 Module getroffen, die im Entwurf des Zielnetzes verankert wurden.

Maßnahmen im Zielnetz

Für die Steiermark relevante, zur Weiterverfolgung empfohlene Module sind:

Quelle: ÖBB/BMK

  1. Ausbau der Pyhrnstrecke mit Bosrucktunnel Neu

Ein Meilenstein für die Steiermark ist die Aufnahme des Bosruck-Tunnel-Neu. Damit ist eine Realisierung bis 2040 möglich. Zu fordern ist nun, dass der Tunnel und insbesondere die Rampen zu den Tunnelportalen möglichst flach konzipiert werden. Der selektive zweigleisige Ausbau in OÖ ist zwar positiv, für eine Kantenzeit Linz-Selzthal von 1h wäre aber eine durchgehende Zweigleisigkeit erforderlich.

  1. Ausbau Graz – Bruck/Mur mit Nahverkehrsknoten Gösting

Beide Maßnahmen sind im Forderungskatalog der Sozialpartner und des Landes Steiermark enthalten. Bis 2040 ist der Ausbau zwischen Graz und Frohnleiten (zwei zusätzliche Gleise) als Hochgeschwindigkeitsstrecke mit Vmax von 250 km/h vorgesehen, womit Kapazitätsengpässe behoben werden und die Kantenzeit zwischen Graz und Bruck/Mur von maximal 30 Minuten erreicht werden kann. Der weiterführende Neubau dieser Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Frohnleiten und Bruck/Mur ist entsprechend der TEN-T Leitlinien bis 2050 umzusetzen.

Die Aufnahme des Nahverkehrsknoten Gösting in das ÖBB-Zielnetz ist ebenfalls ein wichtiger interessenpolitischer Erfolg, der (sofern als Mobilitätsdrehscheibe mit Straßenbahnanbindung umgesetzt) für Pendler:innen große Vorteile bringen wird.

  1. Ausbau Graz-Spielfeld

Diese Maßnahme wurde seit Jahren von der WKO Steiermark und der Stmk. Landesregierung eingefordert und wird sehr positiv bewertet, da der Wirtschaftsraum durch eine Steigerung der Leistungsfähigkeit im Güter- und Personenverkehr deutlich aufgewertet wird. Auch die begleitenden, niveaufreien Verkehrslösungen für die bestehenden Eisenbahnkreuzungen im Straßennetz sind hier wichtige Aspekte, die hervorgehoben werden sollten (vgl. Vorstellung der Verkehrslösungen für Wildon und Ehrenhausen – LH Christopher Drexler Land Steiermark).

  1. Ausbau inneralpin (Bruck-Bischofshofen) mit Schleife Selzthal

In diesem Modul ist erfreulicherweise die Schleife Selzthal enthalten, die eine direkte Abzweigung Richtung Bischofshofen beinhaltet. Damit entfällt das Stürzen von Zügen. Weiters sind die Haltestellen St. Michael Ort und Bruck Stadtwald sowie der Ausbau Schladming Ost enthalten.

  1. Ausbau Zulaufstrecken Semmering-Basistunnel (Wiener Neustadt bis Bruck):

Zu nennen ist hier der drei- bzw. viergleisige Ausbau der Strecke Wiener Neustadt – Gloggnitz sowie der Güterverkehrsbahnhof im Mürztal.

  1. Ausbau GKB: zweigleisiger Ausbau Graz-Lieboch

Der zweigleisige Ausbau zwischen Graz und Lieboch ermöglicht die erforderliche Verdichtung des Nahverkehrs in Richtung Köflach und Lannach.

Diese hier dargestellten Module haben bei der Nutzen-Kosten-Bewertung einen Quotienten, der über 1 liegt, erreicht: Der monetarisierte Netto-Nutzen im Betrieb (Personen- und Güterverkehr, ökologische Aspekte, Energiekosten etc.) ist laut dieser Analyse also höher zu bewerten als die Investitionskosten.

„Beim gesamtwirtschaftlichen Nutzen-Kosten-Verhältnis werden die Investitionskosten Infrastruktur im Nenner erfasst, alle anderen Nutzen und Kosten im Zähler. Damit können sich auch negative Nutzen-Kosten-Verhältnisse ergeben, wenn z.B. zusätzliche Betriebskosten der Züge die Nutzen übersteigen und der Zähler damit negativ wird.“ (ÖBB)

Von allen auf steirischer Seite eingemeldeten Modulen wurden drei mit einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von unter 1 bewertet und wurden damit aus fachlicher Sicht des BMK „nicht empfohlen“, nämlich sämtliche Projekte in der Oststeiermark sowie die GKB-Verlängerung von Wies nach Eibiswald. Das bedeutet nun, dass diese Projekte laut aktuellem Planungsstand bis 2040 nicht realisiert werden (können) und Thema für die nächste Zielnetzbewertung sein werden. In der Oststeiermark wurden folgende Bahnstrecken evaluiert:

  • Steirische Ostbahn, kurz SOB
  • Gleisdorf – Hartberg mit Neubau Fürstenfeld – Gleisdorf, kurz GLH

Quelle: ÖBB/BMK

Aufgrund der von den Experten negativen Einschätzung zum Güterverkehrspotential i.z.H mit dem Ausbau Graz – Gleisdorf alleine betrachtet (steirische Ostbahn Richtung Ungarn über Bestandsstrecke) wurden beide für die Oststeiermark relevanten Projekte einer gesamthaften Bewertung unterzogen. Im Doppel-Modul betrachtet (Ostbahn und Gleisdorf-Fürstenfeld-Hartberg) ergibt sich ein höherer Gesamtnutzen als in der Einzelbetrachtung, da die Gewichtung für den Personenverkehr wesentlich besser ist. Dennoch kommt der Nutzen-Kosten-Quotient mit 0,9 denkbar knapp unter 1 zu liegen. Eine nochmalige inhaltliche Auseinandersetzung/Evaluierung dieser Bahnstrecken im Modul betrachtet wird daher angeregt. Im Detail sind folgende Teilstrecken Inhalt des Gesamtmoduls, das nach aktuellem Bewertungsstand bis 2040 nicht weiterverfolgt wird:

  • Zweigleisige Neubaustrecke Graz – Gleisdorf
  • Eingleisige Neubaustrecke für den Güterverkehr von der Steirische Ostbahn zur Koralmbahnbzw. zum Terminal Werndorf
  • Zweigleisiger Ausbau Rohr –Feldbach und Adaptierung Bahnhof Jennersdorf
  • Zweigleisiger Ausbau Graz Ostbahnhof-Messe –Messendorf
  • Eingleisige Neubaustrecke Gleisdorf –Fürstenfeld inkl. sechs neuer Verkehrsstationen und neuem Bf. Fürstenfeld
  • Elektrifizierung und Ausbaumaßnahmen Fürstenfeld –Hartberg

Ebenso nicht im Zielnetz 2040 findet sich das Verlängerungsmodul der GKB von Wies nach Eibiswald, kurz GKE genannt.

Zusammenfassung und Ausblick

Aus Sicht der Wirtschaft ist die Aufnahme vieler wesentlicher Schienenprojekte als erster Erfolg zu sehen, nun geht es darum, dass die Detailplanungen starten und die in dem Strategiepapier festgehaltenen Infrastrukturmaßnahmen auch in den BMK-Rahmenplan der nächsten Jahre einfließen werden. In Bezug auf die Oststeiermark ist das letzte Wort hoffentlich noch nicht gesprochen. Der Prozess zum Zielnetz 2040 sieht ab Ende Februar 2024 eine öffentliche Konsultation vor. Eine Aufnahme der Neubaustrecken im Modul Ostbahn/Thermenbahn ist hier weiter zu fordern. Was den Bosrucktunnel und den Ausbau Graz – Frohnleiten betrifft, sind die Planungsarbeiten im Sinne einer echten Flachbahn bzw. einer Hochgeschwindigkeitsstrecke unmittelbar zu beginnen bzw. in den Rahmenplan zu verankern.

Mag. Robert Steinegger, 13.02.2024