Hohe Teilzeitquoten lassen das Arbeitsvolumen in Österreich schrumpfen

Veränderung des Arbeitsvolumens und Entwicklung der Wirtschaftskraft: Wie positioniert sich unser Land im internationalen Vergleich? Eine Analyse.

Zuletzt aktualisiert am 08.08.2023, 11:57

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Immer mehr Menschen in Österreich fordern Teilzeitarbeit – dies zeigt sich in der Entwicklung der Teilzeitquote des Landes. Aktuell hält Österreich bei einer Teilzeitquote von rund 30 Prozent, Tendenz steigend. Hiermit eng verbunden ist ein Rückgang der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung. Nicht nur in der Teilzeitquote schlägt sich die Entscheidung der Arbeitskräfte, weniger Arbeitsleistung erbringen zu wollen, nieder – auch Statistiken zu den tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden je Erwerbstätigen und der Arbeitsstunden je Kopf bestätigen diesen Eindruck. Nachfolgend soll diese Entwicklung anhand eines internationalen Vergleiches, welcher mithilfe der OECD-Datenbank durchgeführt wurde, dargestellt werden. Zeitvergleiche werden über den Zeitraum 2001-2022 vorgenommen.[1]

Arbeitsstunden je Erwerbstätigen

In der Statistik der geleisteten Arbeitsstunden pro Erwerbstätigen im Jahr 2022 findet sich Österreich im internationalen Vergleich im hinteren Feld ein. So liegt der Österreich-Schnitt von 1444 Arbeitsstunden deutlich unter dem OECD-Schnitt (1752 h pro Jahr) und dem europäischen Durchschnitt (1571 h pro Jahr).

Die Entwicklung der geleisteten Arbeitsstunden über die OECD-Länder vom Jahr 2001 bis 2022 zeigt, dass der Rückgang der geleisteten Arbeitsstunden je Erwerbstätigen ein globaler Trend ist. Jedoch zeigt auch diese Statistik, dass Österreich mit -13 % deutlich hinter dem OECD-Schnitt (-4 %) sowie dem EU-Schnitt (-6 %) liegt.

Arbeitsstunden pro Kopf

In der Statistik der Arbeitsstunden pro Kopf (Gesamtbevölkerung) liegt Österreich im Jahr 2022 mit 744 Arbeitsstunden pro Kopf auch in dieser Statistik hinter dem OECD-Schnitt (834 h/Kopf) und dem EU-Schnitt (764 h/Kopf).

In der Entwicklung dieser Kennzahl von 2001-2022 zeigt Österreich mit -4,8 % Rückgang der Arbeitsstunden je Kopf im Gegensatz zum OECD- und EU-Schnitt (+2,9 und +2,0 %) eine negative Entwicklung. Während die negative Entwicklung der Arbeitsstunden je Erwerbstätigen im OECD- und EU-Schnitt durch eine Erhöhung der Erwerbsquote EU- und OECD-weit durchschnittlich (über-)kompensiert werden kann, überwiegt in Österreich der Effekt der durchschnittlichen Arbeitsreduzierung je Erwerbstätigen recht deutlich jenem einer Erhöhung der Erwerbsquote.

Welche Auswirkungen ergeben sich auf die Wirtschaftskraft und wie schneidet Österreich hier im internationalen Vergleich ab?

BIP pro Kopf

In der Entwicklung des realen BIP pro Kopf bleibt Österreich mit +0,87% im Betrachtungszeitraum von 2001 bis 2022 hinter dem OECD- und EU-Schnitt (1,16% und 1,14%). Andere Staaten sind somit im Aufholen begriffen.

Um die Auswirkung der Arbeitsstundenreduktion pro Kopf auf die Wirtschaftskraft zu messen, wird das jährliche Wachstum des BIP pro Kopf in die Bestandteile Jahreswachstum durch die Veränderung von BIP pro Arbeitsstunde (Produktivität) sowie Jahreswachstum durch die Veränderung von Arbeitsstunden pro Kopf zerlegt.[2]

Produktivität (BIP pro Arbeitsstunde)

In Sachen Produktivität liegt Österreich mit 92,2 USD[3] pro Arbeitsstunde im vorderen Feld, hier rangiert man deutlich über dem EU- und OECD-Schnitt (71,1 und 64,7 USD). Hinsichtlich der Entwicklung des jährlichen Wachstums des realen BIPs durch Produktivitätssteigerung liegt Österreich mit +1,1 % nahe dem OECD- und EU-Schnitt (1,08 und 1,05 %)

Arbeitsstunden pro Kopf

Der Grund für die unterdurchschnittliche Entwicklung des BIP pro Kopf in Österreich liegt daher in der Wirkung der Arbeitsstunden pro Kopf auf das Wirtschaftswachstum pro Kopf. Der Rückgang der Arbeitsstunden pro Kopf von 2001-2022 in Österreich bewirkt einen jährlichen Rückgang des BIP um -0,24 %, im Vergleich dazu gibt es EU- und OECD-weit eine jährliche Erhöhung des BIPs durch die Veränderung der Arbeitsstunden pro Kopf von jeweils 0,09 %.

Wirkung Veränderung Arbeitsstunden pro Kopf auf Produktivität

Um eine mögliche Wirkung einer Arbeitsstundenreduktion auf die Produktivität festzustellen, wird die Veränderung der Arbeitsstunden auf die Veränderung der Produktivität regressiert. In der Regressionsanalyse konnte kein Zusammenhang der beiden Merkmale festgestellt werden, somit kann anhand der untersuchten Daten nicht bestätigt werden, dass Länder, welche ihre Arbeitsstunden je Kopf reduziert haben, durchschnittlich mehr Output pro Arbeitsstunde erwirtschaften konnten.

Fazit

Österreich ist ein Land mit hoher wirtschaftlicher Stärke. Dies zeigt beispielsweise das – im internationalen Vergleich – hohe BIP pro Kopf. Nichtsdestotrotz ist die wirtschaftliche Entwicklung des Landes im internationalen Vergleich gedämpft.  In Sachen Arbeitsproduktivität, welche insbesondere vom technischen Fortschritt und von Innovationen getrieben wird, kann sich Österreich im vorderen Feld behaupten, in Sachen Arbeitsvolumen kann Österreich international gesehen nicht mithalten. Diese Entwicklung manifestiert sich beispielsweise durch stark gestiegene Teilzeitquoten. Für Dienstnehmer gibt es gute Gründe eine Teilzeitbeschäftigung zu wählen, unter anderem auch, dass finanzielle (steuerliche) Anreize fehlen oder Betreuungseinrichtungen für Kinder und pflegebedürftige Angehörige vermisst werden.[4] In diesen Punkten sollte jedenfalls ein Handlungsbedarf abgeleitet werden, um das Entfalten des Erwerbspotenzial der Bevölkerung zu fördern und den Wohlstand zu sichern.  Hinsichtlich der Erhöhung des Outputs soll nicht unerwähnt bleiben, dass nicht nur bei Tätigkeiten, in welchen der Output unmittelbar von den Arbeitsstunden abhängt (Beispiel: Busfahrer), sondern auch bei Tätigkeiten, welche nachhaltig die Arbeitsproduktivität beeinflussen, (wie beispielsweise Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten) die Leistung naturgemäß von den geleisteten Arbeitsstunden abhängt.


[1] Der Zeitraum ab 2001 wurde aufgrund der Datenverfügbarkeit gewählt.

[2] Diese Daten stellt die OECD in ihren Statistiken bereit. 

[3] Die Umrechnung in USD erfolgte durch die OECD mittels aktueller Kaufkraftparitäten.

[4] StepStone-Jobreport 2023 https://www.stepstone.at/Ueber-StepStone/pressebereich/stepstone-studie-warum-menschen-in-teilzeit-arbeiten/