Kann die Steiermark stromautark werden?

Bis 2030 soll die Versorgung flächendeckend über Ökostrom erfolgen. Doch ist das realistisch? Ein Überblick zu den Ausbaunotwendigkeiten.

Zuletzt aktualisiert am 23.09.2022, 11:10

Ein Mann hält in der Nacht die Erde der Energie, die das Problem der globalen Erwärmung und Klimawandel zeigen soll, über einem Tablet. © stock.adobe.com/ipopba

Die von der Politik ausgegebenen Ziele „Klimaneutralität bis 2040“ und „100% erneuerbarer Strom bis 2030“ erscheinen auf den ersten Blick nicht dramatisch und gegen Klimaneutralität und Ökostrom kann ja nicht viel eingewendet werden. Aber was bedeuten diese Ziele bei genauerer Betrachtung? Bzw. was ist notwendig, um die ausgegebenen Ziele in die Realität umzusetzen?

Um diese Fragen beantworten zu können, muss man zunächst einen Blick auf die Ausgangssituation werfen: Der jährliche österreichische Energieverbrauch beträgt ca. 340 TWh oder umgerechnet rund 1.200 Petajoule (PJ). Die Steiermark verbraucht rund 213 PJ pro Jahr an Energie. Zur Orientierung: Die Stadt Graz hat einen jährlichen Stromverbrauch von 7 PJ. Die meisten Leute können mit diesen Zahlen vermutlich nicht sehr viel anfangen. Private Diskussionen rund um dieses Thema drehen sich meist um den Heizungstausch oder wie leistungsstark die Photovoltaikanlage auf dem Hausdach ausfallen soll und welchen Einspeisetarif man gerade bekommt.

Bleiben wir zunächst ausschließlich beim Thema erneuerbarer Strom. Österreich hat sich im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) das Ziel gesetzt bis 2030 den gesamten Stromverbrauch aus erneuerbaren, heimischen Energiequellen zu beziehen (zumindest bilanziell). Aktuell stammen schon 75 Prozent unseres Stromverbrauchs aus erneuerbaren, heimischen Energiequellen. Mit anderen Worten ist es das Ziel des EAG die übrigen 25 Prozent an „fossilem Strom“ durch Ökostrom zu substituieren. Hingegen stammen nach wie vor gut 2/3 des österreichischen Gesamtenergieverbrauchs aus fossilen Energieträgern. Und gemessen am gesamten österreichischen Energieverbrauch macht der „Stromanteil“ lediglich ein starkes Fünftel (21,6 Prozent) aus. Die bis 2030 auszubauende Strom-Erzeugungskapazität entspricht also nur rund 6 Prozent unseres österreichischen Gesamtenergieverbrauchs. Für diese 6 Prozent braucht es jährlich zusätzlich Strom in Höhe von 11 TWh aus Sonnenenergie (Photovoltaik), 10 TWh aus Windenergie, 5 TWh aus Wasserkraft und 1 TWh aus Biomasse.

Grafik Stromproduktion 2005-2030
Stromproduktion 2005–2030, Foto: BMK

Was bedeuten diese Ausbauziele für die Steiermark?

Um diese Erneuerbaren-Ausbauziele realisieren zu können, muss natürlich jedes Bundesland, abhängig von den jeweiligen individuellen Gegebenheiten, seinen Beitrag leisten. Für die Steiermark bedeutet das Folgendes:

  • Bis 2030 müssen zusätzlich 2 TWh (Status Quo: 0,5 TWh) an Strom aus Photovoltaikenergie gewonnen werden. Dazu ist die Errichtung von Photovoltaikanlagen auf einer Fläche von ca. 1.700 Hektar notwendig, das entspricht einer Fläche von ca. 2.500 Fußballfeldern (nur in der Steiermark!). Realistisch gesehen, kann davon ausgegangen werden, dass maximal die Hälfte dessen auf Dächern errichtet werden kann.
Grafik 2500 Fußballfelder mit Photovoltaik
  • Auch im Bereich der Windenergie müsste die Steiermark bis 2030 ihre Erzeugungskapazität um weitere 1,5 TWh steigern (Status Quo: 0,5 TWh). Um das zu schaffen, braucht es zu den bereits bestehenden 105 Windrädern weitere 140 Windräder mit einer Leistung von jeweils ca. 6 MW.
Grafik Steiermarkkarte mit 140 Windrädern
  • Schon jetzt werden etwa 4,5 TWh Strom aus steirischer Wasserkraft gewonnen. Bis 2030 sollen es 5 TWh sein. Um die fehlenden 0,5 TWh erzeugen zu können, sind weitere sechs durchschnittliche Murkraftwerke (82 GWh) notwendig.
Grafik 0,5 Terrawattstunden entsprechen sechs Wasserkraftwerken

An dieser Stelle sei nochmals in Erinnerung gerufen, dass es sich hierbei nur um den Steiermarkanteil am 100-Prozent-Ökostromziel handelt und dass der Stromanteil am Gesamtenergieverbrauch Österreichs nur rund ein Fünftel ausmacht. Außerdem ist in den oben angeführten Rechenbeispielen nur die Rede vom Ausbau der Ökostromkapazitäten, nicht aber von Infrastruktur- und Speicherausbau. Denn um den Überschussstrom aus dem Sommer im Winter verwenden zu können, braucht es intelligente Speicherlösungen und die Möglichkeit den Strom zu bzw. von den Speichern transportieren zu können.

Längst sind EU-, Bundes- und Landespolitik gefragt, rasch attraktivere Rahmenbedingungen für Investitionen in erneuerbare Ausbau- Speicher- und Infrastrukturprojekte zu schaffen. Vor allem braucht es eine spürbare Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Ohne diese Beschleunigung sehe ich persönlich keine realistische Chance das EAG-Ziel zu schaffen, geschweige denn das Ziel der österreichischen Klimaneutralität bis 2040….