Gastbeitrag

Bauwirtschaft als Motor: Wie wir der Rohstoffknappheit begegnen müssen

Die Bauwirtschaft ist einer der zentralen Konjunkturträger der heimischen Wirtschaft. Aktuelle Kostenexplosionen und Rohstoff-Versorgungsausfälle in Folge der russischen Invasion in der Ukraine stellen die Branche auf eine dramatische Probe. Um einen drohenden Bau-Lockdown abzuwenden, muss das wirtschaftliche Risiko auf mehrere Schultern verteilt werden.

Zuletzt aktualisiert am 06.04.2022, 09:25

Eine Baustellentafel mit dem Text Baustopp steht im Vordergrund eines Rohbaus mit Baugerüst. Die Rohstoffknappheit führt dazu, dass Baustellen gestoppt und Neubauten ausbleiben werden. (© stock.adobe.com/bluedesign)

Die steirische Bauwirtschaft ist mit mehr als 16.000 Mitarbeitern ein ökonomischer Motor für den Wirtschaftsstandort. Aktuell droht diesem der Treibstoff auszugehen: Denn in Folge des zu verurteilenden Krieges in der Ukraine haben sich nicht nur die bereits davor gestiegenen Energiepreise vervielfacht, sondern auch einen dramatischen Rohstoffmangel hervorgerufen. Während in vielen anderen Branchen die dramatischen Preissteigerungen bei Strom und Gas zur zentralen Herausforderung avancieren, gefährden die aktuell Versorgungsengpässe den Mittelstand der Bauwirtschaft existenziell. Materialien wie Eisen, Stahl, Aluminium und Holz sowie beispielsweise sogar vermeintlich banale Fertigprodukte wie Schrauben und Nägel sind nicht nur von einer exorbitanten Teuerungswelle betroffen, sondern drohen in Konsequenz von Pandemie und nun des Krieges vollständig auszugehen. Gerät der für Österreich und Europa fundamentale Bau-Motor ins Stottern, könnte das einen wirtschaftlichen Teufelskreis auslösen: Arbeitsplätze gehen verloren, wichtige Wertschöpfung fehlt, Rezession oder gar Stillstand drohen. Nicht ohne fatale Folgen für den Wirtschaftsstandort – ein Umstand, den wir uns gesamtgesellschaftlich nicht leisten wollen und können.

Die Rohstoffknappheit sowie die damit verbundenen Preisexplosionen haben auch zur Folge, dass Bauunternehmen keine kalkulierbare Gesamtbasis abbilden können. Heißt: Es ist schlichtweg unmöglich, vernünftige und haltende Angebote aufzubereiten. Die Folge: Neubauten werden ausbleiben. Denn das Risiko für die Unternehmen weiter mit – und danach sieht es momentan aus – eklatanten Preissteigerungen konfrontiert zu werden, ist zu groß. Dementsprechend wird in Deutschland bereits über Bau-Lockdowns im Zusammenhang mit den Versorgungsengpässen spekuliert. Um eben nicht sehenden Auges in dieses Wirtschaftsdilemma zu laufen, bedarf es der Anpassung der geltenden Regulative. Während durch die Festpreisbindung bislang einzig das bauausführende Unternehmen der Unsicherheit von jähen und unberechenbaren Preisexplosionen ausgesetzt ist, muss das aktuell unkalkulierbare Risiko auf mehrere Schultern verteilt werden. Aus Sicht der Bauwirtschaft muss dies mit einer temporären Aufhebung der Festpreisbindung erfolgen. Dadurch kann sichergestellt werden, dass mit Flexibilität auf bestehende Verträge eingegangen werden kann – und die aktuellen Mehrkosten gerecht verteilt werden können. Für den Bauherren, in der Regel der Nutzer des Baus für die nächsten Jahrzehnte, eine durchaus zu verkraftende Maßnahme. Insbesondere wenn – wie seit Anbeginn der Pandemie nicht unüblich – staatliche Agenturen die Liquiditätsabsicherung und Zwischenfinanzierung der durch die Preissteigerungen vorhandenen Mehrkosten übernehmen, ehe der Bauherr – über Jahre verteilt – die Rückzahlung abwickelt. Für die Bauwirtschaft ist diese Anpassung der Regulative unumgänglich, solange das wirtschaftliche Gesamtsystem eine derart hohe Volatilität verfügt, wie wir sie jetzt erleben. Dazu braucht es ein klares Commitment der zuständigen Ministerien, um einen der zentralen Wirtschaftssektoren unseres Landes vor den aktuellen Entwicklungen zu schützen.

Insgesamt müssen wir uns langfristig von der Vorstellung verabschieden, Rohstoffe günstig aus dem internationalen Ausland zu beziehen. Im Gegenteil: Mit derartigen Preissteigerungen umzugehen, ist Teil der Bauwirtschaft von heute – und wohl auch von morgen. Dieser Einschnitt muss nun Anstoß für eine gedankliche Zäsur sein, die als Ergebnis den Fokus auf heimische Wertschöpfung und umweltverträgliche Technologien am Bau hervorbringt. Ein Wendepunkt, der endgültig den europäischen „Green Deal“ als einzig gangbaren Weg für die heimische Wirtschaft der Zukunft definiert – auch am Bau: Denn nur die Kombination aus Ökonomie und unabdingbarem Umweltschutz macht Europa künftig unabhängig und stark.