Offen gesagt

Wie man Klimaschutz und Wirtschaftswachstum in Einklang bringen kann

Mit dem „Fit for 55“-Paket will die EU zum Klimaschutz beitragen. Doch wie wirkt sich das Paket auf das Wirtschaftswachstum Österreichs aus?

Zuletzt aktualisiert am 03.08.2022, 16:09

Klimaschutz und Wirtschaftswachstum: Eine Weltkugel aus Glas liegt am Boden eines grünen Waldes und wird von der Sonne bestrahlt. Copyright: Romolo Tavani - stock.adobe.com

Am 14. Juli hat die EU-Kommission das mit Spannung erwartete Maßnahmenbündel zur Erreichung des 2030-CO2-Reduktionsziels präsentiert – das sogenannte „Fit for 55″-Paket! Diese Initiative mit dem harmlos klingenden Namen, welcher zunächst eher ein Fitnessprogramm für Mitfünfziger vermuten lässt, hat es in sich. Das Maßnahmenpaket umfasst insgesamt zwölf verschiedene Legislativvorschläge zum Klimaschutz, mit denen die neuen EU-Klimaziele erreicht und die Weichenstellung für den ersten klimaneutralen Wirtschaftsraum der Welt gelegt werden soll. Die Grünen sind begeistert und träumen schon davon, dass durch dieses Gesetzespaket Europa in naher Zukunft an der Spitze einer CO2-freien Weltwirtschaft stehen wird.

Die wichtigsten Maßnahmen des „Fit for 55“-Pakets im Überblick

1. Überarbeitung der Lastenteilungsverordnung

Durch die Überarbeitung der Effort-Sharing-Verordnung werden den Mitgliedstaaten strengere Emissionssenkungsziele für Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und kleine Unternehmen zugewiesen. Um die konkreten Reduktionsziele der Mitgliedstaaten zu ermitteln, wurde das jeweilige Pro-Kopf-BIP zugrunde gelegt. Österreich wird laut dem Entwurf zu einem Reduktionsziel von minus 48% bis 2030, verglichen mit dem Basisjahr 2005, verpflichtet.

2. Infrastruktur für alternative Kraftstoffe

Zur Sicherstellung eines EU-weiten Netzes an Lade- bzw. Auftankmöglichkeiten für emissionsfreie Fahrzeuge sieht die Überarbeitung der Verordnung über Infrastruktur für alternative Kraftstoffe vor. Diese sieht eine Errichtung von Tank- und Ladestationen entlang aller großen Verkehrsstraßen Tank- und Ladestationen durch die Mitgliedstaaten vor. Konkret soll es die Möglichkeit geben, alle 60 km ein batterieelektrisches Fahrzeug zu laden und alle 150 km ein Wasserstofffahrzeug zu betanken.

3. Überarbeitung der EU-Emissionshandelsrichtlinie

Das EU-Emissionshandelssystem soll durch verschiedene Änderungen verschärft werden. Der jährliche Reduktionsfaktor soll von 2,2% auf 4,2% erhöht werden, somit soll bis 2030 eine Reduktion von 61% erreicht werden. Die Zahl der Gratiszertifikate soll zunächst reduziert und in weiterer Folge zur Gänze abgeschafft werden. Die maritime Schifffahrt soll so wie ab 2026 auch die Sektoren Verkehr und Gebäude in den Emissionshandel aufgenommen werden. Das bedeutet, dass die Inverkehrbringer fossiler Kraft- und Heizstoffe Zertifikate kaufen müssen.

4. Vorschlag für eine Verordnung zur Einführung eines CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism)

Um zu verhindern, dass Betriebe aus CO2-intensiven Branchen aus Europa abwandern, wird ein sogenanntes Grenzausgleichssystem installiert. Dieses sieht die Einhebung eines CO2-Preises bei der Einfuhr von bestimmten Produkten vorn. Anfangs soll der CBAM auf die Produkte aus den Branchen Eisen und Stahl, Aluminium, Zement, Düngemittel und Elektrizität angewandt werden. Die Kommission erhalte laut Entwurf die Möglichkeit, den Anwendungsbereich auszuweiten, wenn sie Umgehungstatbestände identifizieren.

5. Überarbeitung der Verordnung über CO2-Grenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge

Die durchschnittlichen Emissionen von Neuwagen sollen ab 2030 um 55 Prozent und ab 2035 um 100 Prozent verglichen mit dem Jahr 2021 reduziert werden. Das würde das Aus für herkömmliche Verbrennungsmotoren bedeuten. Ab diesem Zeitpunkt dürften keine Autos neu zugelassen werden, die nicht emissionsfrei sind. Sofern die Treibstoffe klimaneutral sind, bleiben Autos mit Verbrennungsmotoren aber auch nach 2035 erlaubt.

6. Vorschlag zur Überarbeitung der Erneuerbaren-Richtlinie und der Energieeffizienz-Richtlinie

Bis zum Jahr 2030 soll Energie zu einem Anteil von mindestens 40% aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden (aktuell rund 32%). Zur Erreichung dieses Zieles soll die Energie, die in Gebäuden verbraucht wird, zu 49% aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden. Die Industrie soll verpflichtet werden, den Erneuerbaren-Anteil jährlich um 1,1% zu erhöhen. Im Verkehrsbereich sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 13% sinken. Auch bei den Energieeffizienzziele kommt es zu Verschärfungen. Der Endenergieverbrauch soll sich in der europäischen Union bis 2030 um 36-39% reduzieren, verglichen mit dem Basisjahr 2007 (derzeit 32%-Ziel).

Zweifelsohne handelt es sich beim „Fit for 55“-Paket um ein äußerst ambitioniertes Maßnahmenbündel, dessen Umsetzung für die Mitgliedstaaten eine große Herausforderung darstellt. Uns muss bewusst sein, dass jede Klimazielverschärfung, die wir uns auferlegen, auf internationaler Ebene zwangsläufig zu einem empfindlichen Wettbewerbsnachteil führen kann. Deshalb sind die Grenzausgleichsmaßnahmen ein entscheidender Faktor, um einer, aus wirtschaftlicher Sicht, möglichen Fehlentwicklung entgegenzuwirken. Diese müssen aber sorgfältig gewählt werden, um mögliche Handelskonflikte mit Drittstaaten zu verhindern, welche wiederum nachteilige Effekte auf energieintensive europäische Exportprodukte bedeuten würden.

Neben der Einführung von effektiven und wirtschaftlich sinnvollen Grenzausgleichsmaßnahmen ist es die Aufgabe der Politik, durch gesetzliche Rahmenbedingungen ein investitionsfreundliches Klima in Europa zu schaffen. Erst dadurch wird es schaffbar, die notwendigen Projekte im Bereich der erneuerbaren Energieträger rasch zu ermöglichen. Einerseits braucht es eine massive Zunahme an Erzeugungskapazitäten für Energie aus erneuerbaren und nachhaltigen Quellen und andererseits die in diesem Zusammenhang dringend benötigten Speichermöglichkeiten sowie die Leitungsinfrastruktur. Zu diesem Zweck benötigen wir unbedingt raschere Genehmigungsverfahren für „Erneuerbaren-Energie-Projekte“, welchen vor dem Hintergrund der Klima- und Energieziele zweifelsohne sehr hohes öffentliches Interesse zukommt.